Antwerpen ist das Weltzentrum des Diamantenhandels. In vielen Schaufenstern der Stadt blinken und funkeln die Edelsteine, dass es nur so eine Pracht ist. Mancherorts reiht sich ein Juwelier an den nächsten, und dank Stararchitektin Zaha Hadid erinnert sogar das Hafenhaus mit seinem Gläsernen Anbau an einen riesigen Diamanten (Bild oben). Wer einfach nur ein paar der kostbaren Steine und Schmuckstücke bestaunen möchte, der kann das Diamantenmuseum DIVA besuchen oder einen Spaziergang über den „Diamond Square“ machen. Und wer dann doch ein Schmuckstück erwerben möchte, sollte eine geführte Tour durch die „Goldenen Sträßchen“ der Stadt machen.

Mit gesenktem Kopf, aber zielstrebig eilen die Männer vorbei, verschwinden hinter schweren Türen. Sie tragen meist Anzüge in gedeckten Farben, einige sind orthodoxe Juden, mit ihren hohen Hüten, der schwarzen Kleidung und den stattlichen Bärten nicht zu übersehen. Vor den Eingängen der grauen, teils zehnstöckigen Gebäude stehen Militärpolizei und gepanzerte Fahrzeuge. Trotzdem geht alles still und gelassen über die Bühne – nichts deutet auf die millionenschwere Ware hin, die hier gehandelt wird. 

Wir sind im Antwerpener Diamantenviertel, genauer auf dem „Diamond Square“, der am meisten überwachten Gegend der Stadt. Die Vorsicht verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass hier rund 86 Prozent der weltweit gefundenen Rohdiamanten angeliefert, bearbeitet und als Edelsteine wieder exportiert werden. Im Schnitt sind das Pretiosen im Wert von 220 Millionen Dollar – pro Tag. Außerdem befinden sich hier gleich vier Diamantenbörsen, das einzige Zollbüro für Diamanten in Belgien und das HDR Labor Antwerp, das die Steine begutachtet und bewertet.

Wer allerdings im Zentrum des Diamond Square, also in der Rijfsstraat, Hovenierstraat und Schupstraat viel Glitzer, Glamour und Bling Bling erwartet, wird enttäuscht. Die Anmutung könnte nicht gegenteiliger sein: schmucklose Nachkriegsbauten reihen sich hier aneinander, dazwischen eine Synagoge und immer wieder Sicherheitspatrouillen von Polizei und Militär. Der Handel in den Diamantenbörsen vollzieht sich hinter geschlossenen Türen. Ein Bummel durch die umliegenden Straßen aber lohnt sich trotzdem. Die Architektur dort ist kaum ansprechender, dafür gibt’s viel zu sehen. Im Dunstkreis des Hauptbahnhofs liegt ein Juwelier neben dem anderen, durch deren Schaufenster ihr geradezu geblendet werdet, so sehr glitzert es darin, funkeln Diamantenringe, -ketten und andere Schmuckstücke um die Wette. 

Einige dieser Läden verkaufen auch Importware aus Massenfertigung, viele der hiesigen Juweliere aber legen großen Wert auf Qualität, Nachhaltigkeit und Transparenz. Die „Guten“ lassen sich etwa am Label „Antwerp’s Most Brilliant“ erkennen, das dort im Schaufenster prangt. Hier könnt ihr ganz beruhigt euer Schmuckstück handmade in Antwerpen erstehen. Und euch dann gleich nebenan mit einer erstklassigen Mahlzeit belohnen: Da Menschen aus 70 Nationen an Antwerpens Diamantenhandel beteiligt sind, gibt es ringsum viele Restaurants mit internationaler Küche, so werden gute indische und jüdische (koschere) Gerichte serviert.

Viel heimeliger als im Diamantenviertel ist allerdings das Bild mitten in der Altstadt in den „Goldenen Sträßchen“, wo heimische Goldschmiede und Schmuckdesigner arbeiten. Schmale Backsteinhäuser mit holzumrahmten Fenstern stehen dort dicht an dicht, Efeu und wilder Wein ranken über die Fassaden, vor kleinen Cafés sitzen Menschen entspannt in der Sonne. In den historischen Gebäuden fertigen (oft junge) Kreative einmalige Schmuckstücke aus und mit Diamanten an – viele von ihnen haben an der Antwerpener Akademie der Schönen Künste studiert, einer der ältesten Kunsthochschulen der Welt.

Wie zum Beispiel die Designerin Eva Crauwel, die unter dem Label „Mia & Moi“ filigrane Ketten, Ohrringe und Armbänder aus kleinen Silberkugeln kreiert, teils kombiniert mit Diamanten. Oder der Designer und Bildhauer Jordan Rembrandt, dessen Schmuck sich durch eine raffinierte Schlichtheit auszeichnet, wobei die Diamanten besonders zur Geltung kommen. Oder das Atelier von Goldschmiedin Gerda de Vrij, die sich von der Natur inspirieren lässt und deren Werke durch organische Formen überzeugen. Bei einer geführten Tour durch die „Goldenen Sträßchen“ könnt ihr interessante Blicke in die teils aufwendig renovierten Gebäude werfen und auch in einige Werkstätten der Juweliere. Die Touren starten meist vor dem Museum DIVA, der „Heimat der Diamanten“.

Dieses Haus liegt unweit des historischen Grote Markt, auf dem schon im 16. Jahrhundert Juweliere mit ihren funkelnden Luxusgütern um die Gunst der Adeligen buhlten. Im Museum könnt ihr viel über Wesen und Werden der Diamanten-, Juwelen- und Edelschmiede-Szene in Antwerpen erfahren. Und ihr könnt dort die schönsten Exponate bewundern, eine mit Diamanten übersäte Pfauenbrosche oder das Diamanten-Armband in Form einer Schlange sind nur zwei der Highlights im DIVA. Der Name steht übrigens nicht etwa für „Diamanten von Antwerpen“ – er ist vielmehr eine Huldigung an die Diven dieser Welt, die den Schmuck mit so viel Anmut und Eleganz tragen.