[vc_row][vc_column][vc_column_text]Seoul, Hauptstadt von Südkorea, hat in den vergangenen Jahren vor allem eins getan: Der Moloch mit seinen 13 Millionen Einwohnern hat ohne große Rücksicht auf Relikte von früher in die Zukunft investiert. Die Stadt glitzert und funkelt rund um die Uhr, scheint einem Science Fiction Film zu entstammen.

Bericht aus einer Mega-City, die hierzulande noch ziemlich unbekannt ist.

 

Text und Fotos: Stefan Nink[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_empty_space][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_single_image image=“5476″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][vc_single_image image=“5477″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]Das hier ist ein blöder Satz, aber: Manchmal versteht man ein Land erst im Museum. Unvermittelt, von einem Moment auf den anderen. Das Leeum Museum of Art im Seouler Stadtteil Yongsan ist eines dieser waghalsig designten Gebäude, von denen man nicht glaubt, dass sie wirklich existieren, bis man vor ihnen steht.

Draußen glitzert eine himmelsstürmende Installation aus aufeinander gestapelten Stahlmurmeln, drinnen schlägt die Sammlung einen abenteuerlichen Bogen von tausendjährigen Vasen zu Mark Rothko und Damien Hirst. Und dann liegt da noch Koreas Landkarte aus Metallstiften. Und von einer Sekunde auf die andere ist es, als seien einem die Augen geöffnet worden.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

Von vorne.

Vom ersten Morgen an, der sich schüchtern in die Stadt schleicht, als wolle er niemanden zu früh wecken, mit milchigem Licht und gedämpften Geräuschen. Die Stunden zwischen Nacht und Tag sind die stillsten in Koreas Dreizehn-Millionen-Hauptstadt. Bis eben noch hat eine Taxi-Armada die letzten Nachtschwärmer nach Hause gebracht, schon bald wird der Berufsverkehr einsetzen. Im Moment aber hört man nur das Krächzen der Elstern.

Drüben vor dem Gyeongbok-Palast kehren drei Männer mit Reisigbesen die verbuckelten Steinplatten, bei jeder Bewegung liegt leises Rascheln in der Luft. Aus der verspiegelten Tür des Hochhauses gegenüber tritt der Pförtner, gähnt, zündet sich eine Zigarette an und sieht zu den Wolken hinauf, die der Wind Richtung Horizont schiebt. Der Turm der Pagode reckt sich in den blassgrauen Himmel, als wolle er dort oben nach der Sonne sehen.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_single_image image=“5478″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_single_image image=“5479″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

Warum reist man nach Seoul?

Die einen kommen aus geschäftlichen Gründen, natürlich, seit Japans Wirtschaft krankt und Chinas Wachstum lahmt, gilt das Land als Powerhouse Ostasiens. Andere rücken an, weil sie in Tokio, Singapur und Saigon bereits gewesen sind. Aber wegen der Tempel? Der Paläste? Der Kunst? Kennt die jemand? Warum eigentlich weiß man so wenig über das Land auf dieser Halbinsel, die im Norden an China andockt und im Süden fast bis Japan reicht? Eine Spurensuche im Online-Archiv einer großen Wochenzeitschrift ergibt zwar 1089 Treffer, aber von denen handeln über tausend vom Bruderstaat im Norden und dessen durchgeknalltem Regierungschef. Über das andere Korea findet man kaum etwas. Über Seoul noch weniger.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

Wenn man das erste Mal in einer fremden Stadt ist, bemerkt man ja zuerst oft die merkwürdigsten Dinge.

In Seoul sind das zum Beispiel besagte Elstern und die Garküchen, an denen man derart viele Oktopus-Schaschlikspieße kaufen kann, dass man sich Sorgen um die Tintenfischpopulation im Gelben Meer macht. Die Musik in den Aufzügen ist gewagter als bei uns, im Hotel läuft morgens sogar Miles Davis. Kimchi gibt es immer und überall, jenen fermentierten, mit Chili gewürzten Weißkohl, der zu allem als Beilage aufgetischt wird.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_single_image image=“5480″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][vc_single_image image=“5481″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Und sonst? Existiert kaum ein Geschäft, vor dem Passanten keine Gutscheine oder Produktproben in die Hand gedrückt bekommen. Und jeder hier schaut ununterbrochen auf sein Smartphone – offenbar sind Koreas TV-Serien derart spannend, dass man sie selbst zwischen U-Bahnausgang und Büroturmeingang verfolgen muss. Vor allem aber fallen einem die vielen perfekt aussehenden Frauen auf. Frauen, die permanent die Lippen nachziehen und Strähnen hochpusten und Lidschatten kontrollieren, weil sie gerne noch perfekter aussehen würden. Frauen, um die herum die Luft zu schimmern scheint, so schön sind sie.

Auch sonst und überhaupt holt Seoul gerne die Sterne vom Himmel.

An jeder zweiten Hausfront sind gewaltige LED-Displays montiert, über die grelle Werbevideos zucken. Aus hunderttausend Fenstern quellen blassgelbe Lichtbündel, überall blitzt und gleißt es, ganze Fassaden verändern im Sekundentakt ihre Farbe, selbst normale Bürohäuser sehen im Widerschein aus, als habe sie jemand in Pyjamas aus schwarzsilbrigem, zerknittertem Stanniol gewickelt.

Das schönste Lichtspektakel der Stadt

aber kommt ganz bescheiden daher: Hinter der Dongdaemun Design Plaza, dort, wo man alte Stadtmauern und Befestigungen ausgegraben hat, beginnt mit Einbruch der Dunkelheit das größte Blumenbeet der Welt zu leuchten. Zwischen den jahrhundertealten Mauern stehen zwanzigtausend weiße LED-Rosen, eine neben der anderen, über den kompletten Platz verteilt. Wenn der Wind vom Meer weht, bewegen sie sich sanft hin und her, als verneigten sie sich vor den steinernen Resten der Vergangenheit. In solchen Momenten wirkt Südkoreas Metropole beinahe unwirklich. Eher so, als sei sie aus einem Fantasyfilm herausgefallen.[/vc_column_text][vc_row_inner][vc_column_inner width=“1/2″][vc_single_image image=“5482″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][/vc_column_inner][vc_column_inner width=“1/2″][vc_single_image image=“5483″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][/vc_column_inner][/vc_row_inner][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

Ansonsten muss man das alte Seoul mühsam suchen

Natürlich sind da die alten Tore und Paläste. Aber sonst? Ein paar Schreine. Ein paar Tempel. Und Bukchon, sechshundert Jahre lang Wohnviertel hochrangiger Beamter. Die Häuser des historischen Viertels klammern sich an einen steilen Hügel, ein Gewirr aus engen Sträßchen, die ab dem Vormittag von chinesischen Touristen gestürmt werden. Deswegen kommt man besser am frühen Morgen, wenn außer den Katzen hier niemand unterwegs ist. Ausgeschlafen sollte man aber sein. Sonst hat man sich schnell verlaufen in diesen Gassen, von denen eine wie die andere auszusehen scheint.

Das passiert einem übrigens auch nach ein paar Tagen immer wieder. Vieles in Seoul scheint zum Verwechseln ähnlich, so dass man immer wieder kurz die Orientierung verliert. Die Viertel, die Restaurants, die Coffeeshops, die Kaufhäuser, die Menschen, die ihre Kleidung und Haarschnitte offenbar bewusst danach auswählen, in der Menge untertauchen zu können. Bei einem selbst führt all das zu einer gewissen Unruhe: Man glaubt, der Stadt noch nicht auf den Grund gekommen zu sein. Etwas Wesentliches zu verpassen. Seoul noch nicht gefunden zu haben.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_single_image image=“5484″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][vc_single_image image=“5485″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_single_image image=“5486″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]Das Wetter ist umgeschlagen, es wird Regen geben, der späte Nachmittagshimmel sieht aus wie ein Teppich auf der Leine, der ausgeklopft werden will. Die Luft wird dunstig, ein feiner Schleier scheint sich über Seoul gelegt zu haben, und auf dem Namsan-Hügel wird die Luft ein, zwei Grad kühler. Hier oben, ein paar hundert Meter über der Stadt, bricht die Nacht nicht an, wie man so gerne sagt – sie steigt wie Nebel aus der Erde. In den Restaurants und Cafés des Seoul Towers werden Selfiesticks in die Höhe gereckt, ein paar Meter weiter im Park aber hat man eine Bank für sich allein. Der Blick hinab ist schwindelerregend, ganz Seoul eine fließende Masse aus Stein und Stahl und blitzendem Licht. Da unten sind dreizehn Millionen Menschen, denkt man. Dreizehn Millionen Leben. Dreizehn Millionen Biografien. Dreizehn Millionen Geschichten.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

Das Fernglas neben der Bank lässt sich für ein paar Wong bedienen.

Zuerst erkennt man nichts. Nach einer Weile aber löst sich die anonyme Gebäudemasse in einzelne Häuser auf, und je länger man anschließend hinunter schaut, desto mehr Details werden sichtbar. Ein dunkler Fleck auf weißem Grund verwandelt sich in Passanten auf einem Zebrastreifen; die einzelnen Punkte im Park dahinter sind junge Leute, die ein Date haben und auf ihre Verabredung warten. Auf einem Platz kann man drei Straßenmusiker erkennen und ihr Publikum. Vor der Universität lernt ein Student auf einer Bank, unten, am Fuße des Hügels, schiebt eine Mutter einen Kinderwagen über den Gehsteig. Und ganz weit hinten glitzern die aufeinander gestapelten Stahlmurmeln vor dem Leeum Museum. Man muss nur ganz genau und geduldig Ausschau halten, dann sieht man sie.[/vc_column_text][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_single_image image=“5487″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][vc_single_image image=“5488″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row]