[vc_row][vc_column][vc_column_text]Der Sand knirscht unter den Reifen, und irgendwo hinten klirren die Gläser und all das andere, nicht richtig verstaute Zeugs, aber dann stehen wir – auf ebener Fläche und beinahe direkt am Meer. So 20 Meter vor der Windschutzscheibe schubbert die Brandung schwarzes Kieselgestein über den Strand; man kann das hören, obwohl die Fenster geschlossen sind. Gestern Abend waren sie das leider nicht, und anschließend bewohnten etwa 170 bisswütige Sandfliegen unser fahrbares Häuschen. Doch jetzt ist außer uns niemand da. Auch die Sonne nicht. Von diesen teergrauen, übereinander gestapelten Regenwolken ist ebenfalls nie die Rede, wenn es um Neuseeland geht.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]Obwohl man weiß, dass es funktioniert, traut man sich so was ja nicht einfach so: Mit einem Miet-Camper die Straße zu verlassen und hinunter ans Wasser zu fahren. In Neuseeland darf man mit dem Wohnmobil auch außerhalb der offiziellen Campingplätze übernachten. Und weil es demnächst irgendwann dunkel werden und der Jetlag über uns herfallen wird, sind wir bei Pukekura von der Route 6 an der Westküste der Südinsel runter und ans Meer. Über dem ist der Wind gerade dabei, die Wolken aufzumischen. Die Sandfliegen hat er schon davon getragen, jedenfalls sind keine da, als wir aussteigen. Es riecht nach Tang und Salz und woraus auch immer sich dieser typische Geruch zusammensetzt, der einem an solchen Küsten in die Nase weht, und dann lugt für einen Augenblick tatsächlich noch einmal die Sonne im Grau knapp über dem Horizont hervor und legt einen dunkelgelben Streifen Farbe auf das metallische Meer. Für so einen Moment haben die Maori einen eigenen Begriff: ara whanui a Tane, „der goldene Pfad der untergehenden Sonne“. Das klingt so schön, wie es es aussieht.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_single_image image=“5356″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_single_image image=“5369″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][vc_single_image image=“5370″ img_size=“full“][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]Möglicherweise gibt es auf Gottes weiter Welt keine schönere Land/Fahrzeug-Kombination als Neuseeland mit dem Wohnmobil. Natürlich hat das zuallererst einmal mit der Grandezza des Landes zu tun, die einen überrumpelt, sobald man die Verleihstation im Industriegebiet von Auckland oder Christchurch verlassen hat. Das soll jetzt auf keinen Fall despektierlich klingen, aber: Neuseeland kommt einem vor wie ein großes Ersatzteillager der Schöpfung, in dem es von allem etwas auf Vorrat gibt. Braucht jemand noch ein, zwei Ebenen wie die in Montana? Gleich hier vorne, bitteschön. Ein paar Schweizer Gletscher? Liegen da hinten. Fjorde wie in Norwegen? Nach 200 Meter bitte nach links schauen. Einen Gipfel, der mehr nach Fuji aussieht als der Fuji selbst? Moment – da hinten hätten wir den Mount Taranaki, 2518 Meter makellose Bergperfektion und immer wieder gern genommen. Gemäßigten Regenwald wollen Sie, so einen mit bemoosten Bäumen und Riesenfarnen und Dauergetropfe aus den Wipfeln? Bitte, dort unten im Südwesten, unser Fiordland National Park, da sind sie bekannt für. Weinberge gibt‘s übrigens auch. Und blubbernde Geysire. Und zwei richtige Metropolen. Und hundert Meilen lange Sandstrände. Und… – Es heißt, Neuseeland sehe aus wie Neuseeland. Das stimmt nicht ganz. Neuseeland ist die ganze Welt, zusammen gepackt auf zwei kleine Inseln ganz weit weg von allem.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]Wo waren wir? Beim Reisen mit dem Camper waren wir. Das funktioniert hier auch deswegen so gut, weil in Neuseeland all jene Dinge nicht existieren, mit denen man sich bei Womo-Touren in anderen Ländern herumschlagen muss. Es gibt hier keine Staus und – mal abgesehen von Auckland und Wellington an einem Freitagnachmittag – keine verstopften Innenstädte. Es gibt keine Womo-Hijacker wie in Südfrankreich. Keine Campingplätze, auf denen deutsche Rentner in Karohemden um Lagerfeuer sitzen und sich auf der Mundharmonika an „Draußen im Tale“ versuchen. Außerdem kann man sich ins Gras setzen, ohne Angst vor irgendwelchem hochgiftigen Geziefer haben zu müssen. Anders als im Nachbarland Australien leben keinerlei hochgiftige Spinnen in Neuseeland – und keine Schlangen, nach deren Biss man noch maximal siebeneinhalb Minuten Zeit hat, all seine weltlichen Angelegenheiten zu regeln. Kängurus, die einem das Steak vom Grill klauen, gibt es hier auch nicht.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_single_image image=“5367″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][vc_single_image image=“5368″ img_size=“full“][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_single_image image=“5366″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][vc_single_image image=“5357″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]Man sieht überhaupt wenig Tiere in Neuseeland. Das hat geologische Gründe. Als sich jene Inseln, die Abel Tasman viele Millionen Jahre später Nieuw Zeeland nennen sollte, vom Urkontinent Gondwana lösten, hatten sich sämtliche Säugetiere offenbar zuvor in Sicherheit gebracht. Geblieben ist eine merkwürdige Vogelwelt. Die meisten Arten haben keinerlei Furcht vor dem Menschen; es ist anscheinend so, dass ihre innere Uhr dessen Ankunft in ihrer Welt noch überhaupt nicht registriert hat. Andere wiederum haben das Fliegen verlernt. Beziehungsweise: Sind gerade dabei, es zu verlernen.

Das Pukeko, ein putengroßes Geschöpf mit blau schimmerndem Bauch, ist bei diesem alzheimerisch anmutenden Prozess des Vergessens gerade auf einem Level angelangt, wo es dem Betrachter Angst und Bange werden kann. Wenn ein Pukeko fliegt, schlingert es auf unberechenbarem Konfrontationskurs vor dem Wohnmobil hin und her und sieht aus wie ein Unglück auf der Suche nach einem Ort, an dem es geschehen kann. Wer das einmal mit schweißnassen Händen am Lenkrad verfolgt hat, kann gut nachvollziehen, warum der Vogel zu den bedrohten Arten zählt. Wie übrigens auch das Takahe, das aussieht wie der rugbyspielende Cousin des Pukeko. Und der Nationalvogel Kiwi, ein huhngroßes Geschöpf, mit Federn wie Fell und einem Schnabel, der an ein chirurgisches Instrument erinnert. Auch der Kea, ein grüner Papagei, der nichts lieber frisst als die Gummistreifen der Wohnmobil-Scheibenwischer. Und das Weka, das ebenfalls nicht mehr fliegen kann und einem sofort das Essen stibitzt, wenn man einen Moment nicht aufpasst.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Ganz schlimm ist es um den Kakapo bestellt. Der moosgrüne, plumpe Papagei erinnert mit seinen Federkoteletten an einen viktorianischen Gentleman, besitzt aber offensichtlich einen mitleiderregenden IQ – anders lässt es sich nicht erklären, warum die letzten vier oder fünf verbliebenen Kakapomännchen die Köpfe von 1,90 Meter großen Naturschützern für die Hinterteile von Kakapoweibchen halten, bloß weil sie aus grünen Hemden heraus schauen. Man kann froh sein, wenn man so einem Teil nicht beim Wandern begegnet.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]Das muss man nämlich machen, auf jeden Fall! Neuseeland ist ein Outdoorparadies, man könnte sich hier wochenlang immer neue Blasen an den Füßen holen und wunde Hintern und Dauermuskelkater dazu. Natürlich gibt es Leute, die 32 Stunden Anflugzeit hinter sich bringen, um sich anschließend mit einem Gummiseil an den Fußknöcheln von einer Brücke fallen zu lassen oder festgeschnallt im Innern eines durchsichtigen Gummiballs die Almwiesen hinunter zu dotzen (Queenstown im Süden der Südinsel ist auf solche ausgefallene Verrücktheiten spezialisiert). So richtig entdeckt man das Land aber erst, wenn man auf seinen Wanderwegen unterwegs ist.

Mit dem Wohnmobil funktioniert die Logistik prima, man lässt es einfach auf einem Parkplatz stehen und freut sich dann den ganzen Wandertag darauf, dass da ein vollgepackter Kühlschrank bei der Rückkehr abends auf einen wartet, inklusive kaltem Bier. Dann geht man einfach los. Auf eine spektakuläre Tagesetappe im Abel Tasman Nationalpark zum Beispiel, wo man durch einen Zauberwald immer entlang der Küste läuft. Raus ins Hooker Valley am Mount Cook, den die Maori Aoraki nennen, „Durchbohrer der Wolken“. Oder auf die Tongariro Alpine Crossing. Bei der kraxelt man in jenen Vulkangebirgen herum, die bei „Der Herr der Ringe“ das düstere Bösereich Mordor gaben.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_single_image image=“5364″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][vc_single_image image=“5365″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_single_image image=“5362″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]Die Film-Trilogie nach Tolkiens Fantasy-Epos hat Neuseeland übrigens mehr Besucher beschert als alle Bemühungen der Tourismusindustrie zusammen genommen. Mehrere Jahre lang hat Regisseur Peter Jackson kreuz und quer über beide Inseln gedreht. Am Ende waren nicht bloß sämtliche spektakulären Landschaften für immer mit dem Sticker „Bekannt aus dem Kino!“ versehen, sondern auch halb Neuseeland auf Jacksons Lohnzettel: Auf der Südinsel gibt es Orte, deren komplette Bevölkerung bei den großen Schlachten als Orks die Schwerter schwang. Schauplätze wie Isengart und die Ebenen von Rohan stehen mittlerweile sogar auf den Karten der Auto-Atlanten, die in den Campern liegen.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]Darüber müssen wir noch reden: Über das Trinken. Über das Essen. Über Neuseelands Küche. Es ist noch nicht allzu lange her, da wurden hungrige Reisende hier gerne mit mikrowellenerhitzten Pies mit undefinierbarem Inhalt abgespeist, und bei den Beilagen konnte man wählen zwischen Kartoffelbrei und Gemüse, wobei das eine dem anderen optisch sehr nahe kam. Vorbei! Heute scheint die ganze Nation in der Küche zu stehen. Beziehungsweise: Spitzenrestaurants zu betreiben oder Weltklasseweine zu keltern. Die Weinauswahl in einem ganz normalen Supermarkt ist sensationell, und was man an Gemüse- und Käsetheken oder in kleinen Läden an lokalen Produkten einkaufen kann, lässt einen sämtliche guten Kalorienvorsätze augenblicklich vergessen.

Abends kann man seine Einkäufe dann probieren, wenn man mit seinem Wohnmobil einen Stellplatz gefunden hat. Weg von allem, sogar von den Sandfliegen, aber ganz nah am Meer, dessen Brandung schwarzes Kieselgestein über den Strand schubbert. Man sollte nur so viel Abstand halten, dass man nicht plötzlich im Wasser steht, wenn die Flut kommt.[/vc_column_text][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_single_image image=“5363″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row]

Show CommentsClose Comments

Leave a comment