[vc_row][vc_column][vc_column_text]Geparden, Leoparden und Löwen in Sprungweite, Nashörner vor dem Auto, Elefanten fast zum Anfassen: Safaris sind ein Erlebnis für die Ewigkeit. Autor Stefan Nink war im Kruger Nationalpark unterwegs – Südafrikas schier endlos großes Vorzeigereservat[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_single_image image=“5824″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][vc_column_text]

Wer im Kruger Nationalpark drei, vier Tage unterwegs ist, muss schon Pech haben, wenn er in dieser Zeit nicht die halbe Arche Noah entdeckt

Er schaut nach rechts und nach links und fährt dann doch noch mal weiter, hundert Meter, zweihundert, weg von den mächtigen Baobabs und raus aus dem hohen Steppengras, erst dann hält er an und schaltet den Motor ab. Lennox zwinkert seinen Passagieren zu. Eine Sekunde, sagt er, gleich sind wir so weit. Er steigt auf die Motorhaube des Landrovers und sieht sich sehr lange um. Keiner von uns sagt ein Wort, keiner stört, keiner drängelt, soll er ruhig in aller Ruhe das Gelände sondieren, unser Ranger, ganz sorgfältig soll er das. Wir haben nämlich keine Lust auf unerwartete Gäste zum Sundowner. Gäste, die man erst im letzten Augenblick bemerkt, wenn sie aus dem Steppengras auftauchen. Gäste, die nichts von unseren Drinks und unseren Häppchen probieren wollen. Sondern lieber uns.

Seit ein paar Stunden sind wir in Südafrika, und fast ebenso lange sitzen wir in diesem Landrover im Kruger Nationalpark. Weil die Flüge abends in Deutschland starten und am anderen Morgen ankommen (und es keine Zeitumstellung gibt), fühlt man sich wie hinein katapultiert in dieses Land: Man geht quasi nach dem Check-in auf den Balkon der Lodge und wundert sich, dass es warm genug für ein T-Shirt ist. Dass eine Armada Vögel pfeift und tiriliert. Dass ein Mann in Khaki erklärt, dass es gleich los gehe mit der ersten Safari. Nein, man muss nicht erst allmählich ankommen in Südafrika: Man ist sofort da. Und beinahe unmittelbar danach kommt man sich vor wie im – ja, doch: wie im Zoo.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_single_image image=“5827″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][vc_single_image image=“5828″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][vc_single_image image=“5829″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

Safari-Neulinge bleiben erstmal ganz nah am Auto

Womit wir dann auch gleich beim wichtigsten Merkmal einer südafrikanischen Safari wären: Ja, man begegnet Tieren. Und ja: man begegnet ihnen immer und überall. Zuhause kann man ja stundenlang durch die Wälder wandern, bevor man ein mickriges Karnickel in 80 Meter Entfernung die Flucht ergreifen sieht. Im Kruger National Park laufen einem Giraffen, Elefanten, Nashörner und alle anderen Hauptdarsteller aus Grizmeks „Ein Platz für Tiere“ permanent vors Auto. Wer hier drei, vier Tage unterwegs ist, muss schon viel Pech haben, wenn er in dieser Zeit nicht die halbe Arche Noah entdeckt.

Und wer gleich nach der Ankunft in der Lodge zu einer sechsstündigen Kennenlern-Safari aufbricht wie wir, sieht: zwölf Elefanten, 24 Giraffen, sieben Wasserbüffel, acht Nilpferde…

– einer der Passagiere hat penibel gezählt und alles notiert, bloß bei den inflationär auftauchenden Antilopen und Zebras hat er das irgendwann aufgegeben. Und weiter: vier Hyänen, einen Leoparden, fünf Geparden. Und jetzt stehen wir hier also mitten in der Pampa und sollen gleich aussteigen, weil Lennox Cocktails mixen möchte. Wir sehen uns an und wissen, dass wir alle so ziemlich das gleiche denken. Und hoffen, dass die Ranger hier wissen, was sie tun.

Natürlich wissen sie das. Lennox zum Beispiel: Der ist hier groß geworden, am Rande des Nationalparks. Als Kind hat er die Familienziegen gehütet, ein kleiner, schmächtiger Junge mit einem Stock in einem Land voller wilder Tiere. Heute Nachmittag hat er davon erzählt. Da haben wir schon eine Pause gemacht, und einer der Lodgegäste hinten im Landrover wollte wissen, wieso er sich sicher sei, dass man hier aussteigen könne aus dem Auto. Lennox hat mit den Schultern gezuckt. Und geantwortet, dass er nicht wisse, wieso er das wisse – dass wir uns aber keine Sorge machen müssten. So wie jetzt also, zum Sonnenuntergang.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_single_image image=“5822″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][vc_column_text]

Die Nacht fällt wie ein Fallbeil auf die Erde

Eine afrikanische Dämmerung ist eine äußerst kurzweilige Angelegenheit – wenn man für einen Moment wegsieht, hat man sie verpasst. Die Nacht fällt wie ein Fallbeil auf die Erde, gerade war es noch hell, jetzt ist es schon dunkel, und prompt ist es vorbei mit jener friedlichen Stille, die den ganzen Tag über dem Land gelegen hat. Offensichtlich haben die Frösche und Zikaden Südafrikas einen eingebauten Lautstärkeregler, der bei Einbruch der Dunkelheit automatisch bis zum Anschlag aufgedreht wird. Für einen Safari-Neuling ist das eine unheilvolle Kombination: hochgepeitschter Adrenalinspiegel, Dunkelheit, unbekannte Geräuschkulisse. Deshalb bleiben die Safari-Neulinge ganz nahe am Auto, man weiß ja nie. Lennox dagegen macht Scherze, packt Dosen, Nüsse und Oliven aus, verteilt Eiswürfel, öffnet Weinflaschen. Er tut so, als wäre das hier sein Garten, und wir seien nach Feierabend auf ein Bier vorbei gekommen.

Wenn man von eher zweifelhaften Unternehmungen wie Trekking- und Motorradtouren einmal absieht, gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten, den Kruger zu entdecken. Entweder entschließt man sich für die Lodge eines Private Game Reserves am Rande des Parks – und muss sich fortan um nichts mehr kümmern. Das machen wir gerade. Oder man kann via Internet einen Bungalow in einem Camp wie Skukuza reservieren. Dann packt man frühmorgens Bestimmungsbuch, Kamera und Fernglas in den Mietwagen und startet zur Individual-Pirsch. Alles, was dann noch fehlt: ist das Quäntchen Glück. Denn natürlich gibt es Tage, an denen sich ausschließlich Impala-Antilopen und Zebras zeigen wollen. Man kann aber auch am allerersten Tag kurz vor Toresschluss schnell noch eine kurze Runde um den Block fahren und drei Minuten später für das größte Nashorn bremsen, das man seit der letzten Folge von „Daktari“ gesehen hat.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_single_image image=“5826″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_empty_space][vc_column_text]

Kenner der afrikanischen Fauna behaupten ja immer in souveränem Tonfall, Tiere in den Parks nähmen Auto und Passagiere generell nur als Einheit wahr

Und diese Einheit sei viel zu groß, um sie zu jagen oder anzugreifen, und obendrein stinke sie ganz fürchterlich. „Die Tiere“, notierte ein Parkranger in den ersten Tagen des Nationalparks sichtlich erleichtert, „verhalten sich den Besuchern gegenüber freundlich, solange diese in den Autos bleiben“. Die Statistik gibt dem Mann recht: Die meisten Verletzungen hier passieren bei Auffahrunfällen. Und beim abendlichen Grillen in den Camps. Nashörner, die einem vor das Auto laufen, ignorieren den anderen Koloss in der Regel absolut gelangweilt.

Der Kruger Nationalpark ist so groß wie Rheinland-Pfalz

Den nach Paul Kruger – Farmer, Tierliebhaber, Präsident – benannten Nationalpark gibt es seit 1926. Damals setzte sich allmählich die Idee durch, dass Südafrikas Tierarten nicht nur gut schmecken und sich trefflich als Wohnzimmerwandschmuck eignen, sondern auch im lebenden Zustand schön anzusehen sind. Und dass es dringend an der Zeit war, Elefanten, Löwen und Nashörner unter Schutz zu stellen – es waren nämlich nicht mehr viele am Leben. In den folgenden Jahrzehnten wurde der Park stetig erweitert, die Tierpopulationen erholten sich, die Besucherzahlen stiegen. Heute misst das Schutzgebiet 20.000 Quadratkilometer (so groß wie Rheinland-Pfalz) und ist mit dem Parque Nacional do Limpopo im benachbarten Mozambique verbunden. Der grenzübergreifende „Great Limpopo Transfrontier-Park“ existiert aber bislang eher auf dem Papier, weil sich die touristische Infrastruktur im Nachbarland auf Pisten beschränkt, deren kratertiefe Löcher an ein Ausbildungsgelände der mozambiquanischen Artillerie gemahnen. Dabei täte dem Kruger Nationalpark ein Ventil nach Osten ziemlich gut: Mit einer Million Besucher jährlich ist Südafrikas Vorzeigereservat längst an seiner Belastungsgrenze angelangt.

Als Safaritourist merkt man davon allerdings nicht viel: Kruger ist so unermesslich groß, dass man keiner Handvoll Autos begegnet, wenn man abseits der Hauptstraßen auf den allgegenwärtigen Sandpisten herum hoppelt. Nur Zeit muss man sich lassen. Wer lediglich durch den Süden des Parks fährt, wo das dichte Baum- und Buschgestrüpp weit schweifende Panorama-Ausblicke verhindert, bekommt keine rechte Vorstellung dieser Dimensionen. Im Norden aber, in den weiten Ebenen der offenen Baum-Savanne, da beschleicht einen ab einem gewissen Punkt der Verdacht, dieser Park reiche möglicherweise bis in alle Ewigkeit. Dazu kommt eine Ahnung von der Zeitlosigkeit dieser biblischen Landschaft. Ein Gefühl für die Schöpfung. Sie berühren etwas in einem, die sanften Szenerien unter diesem endlos gespannten Himmel. Man sieht Antilopen und Gnus und Zebras zusammen in gewaltigen Herden und fragt sich, ob es der Welt ohne die Species homo sapiens nicht besser gehen würde. Und ob wohl ganz Afrika früher einmal so war. Bevor der Mensch kam. Bevor das einsetzte, was wir Zivilisation nennen.

Die hat uns unter anderem das Funkgerät beschert, und während wir an unserem zweiten Gin Tonic nippen und möglichst leise miteinander reden, um ja nicht weiter aufzufallen hier draußen, unterhält sich Lennox mit einem anderen Ranger. Great, sagt er, great! Er stellt ein paar Fragen und bekommt offensichtlich die richtigen Antworten, jedenfalls meint er jetzt, wir sollten doch schnell austrinken, wer wolle uns nämlich etwas zeigen: der Kollege habe einen ziemlich großen Löwen entdeckt.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_single_image image=“5823″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][vc_column_text]

Südafrikas Ranger sind die Mädchen für alles auf einer Safari – und ihr Erfolgsgeheimnis.

Natürlich kann auch ein Ranger nicht garantieren, dass man die Big Five sieht – ihm genügen aber kleine Signale wie ein paar abgeknickte Äste oder frischer Dung, um einer gut getarnten Gepardin mit ihren vier Jungen auf die Spur zu kommen oder einem Leoparden, der es sich hoch oben in einer Astgabel bequem gemacht hat. Frühmorgens, vor der ersten Fahrt, wenn die Frösche noch an den Rändern der Nacht sägen, ermuntert der Ranger seine müden Gäste mit kleinen Anekdoten und starkem Kaffee. Unterwegs schüttet er sein Füllhorn biologischer Unglaublichkeiten aus, abends mixt er Drinks. Und wenn es wirklich einmal merkwürdig kribbeln sollte bei der Begegnung zwischen Tier und Mensch, signalisiert seine stoische Haltung, dass man nun wirklich nichts zu befürchten habe. Der Ton der Ranger wird in solchen Moment gelassener, sie klingen dann wie Flugkapitäne mit ihrem Jimmy Carter-Akzent, wenn sie leichte Turbulenzen ankündigen – jede Silbe ein kleines, flaumiges Federkissen unter die angekratzten Nerven der Passagiere. Man glaubt gar nicht, wie das beruhigt.

Aber jetzt ist erst einmal alles gut, weil wir ja wieder im Auto sind und Richtung Löwe fahren.

Safaris in diesen offenen Geländefahrzeugen ohne Dach, Fenster und Türen haben ihren ganz eigenen Charme. Man muss sich vor Ästen ducken, bekommt Brummkäfer gegen die Brillengläser geschmettert, und nachts wird es selbst schon bei 27 km/h ganz jämmerlich kalt. Der Reiz einer solchen Tour aber offenbart sich erst richtig, wenn die Kollegenstimme aus dem Funkgerät mitteilt, dass wir ihn jetzt eigentlich jeden Moment sehen müssten, den Löwen. Lennox schaut kurz nach rechts und bremst, und dann dreht er sich um und hält den Zeigefinger vor den Mund, und dann teilt sich das Gras links vor dem Auto und der größte Löwe Afrikas tritt in das Licht unserer Scheinwerfer.

 

Blutdruck schätzungsweise 230 zu 118

Das Tier ist gigantisch. Es ist ein Männchen mit einer gewaltigen Rasta-Mähne und Augen, die im Licht der Scheinwerfer böse funkeln. Der Löwe fixiert uns für einen Moment, dann wechselt er die Richtung und kommt zu uns herüber. Lebewesen mit feinen Ohren registrieren in diesem Moment sicherlich sechs kollektiv pumpende Herzen, Blutdruck schätzungsweise 230 zu 118. Vor allem bei jenem Safarigast, der nicht nur seinen Arm lässig aus dem Rover baumeln lässt, sondern auch noch seinen Fuß so auf die Karosserie gesetzt hat, dass er weit aus dem Auto ragt. Und genau den fixiert der König der Löwen jetzt mit eklig schwefelgelben Augen.

„Nicht bewegen!“, zischt Lennox. Der Löwe schlenkert heran, sein Rücken ist so hoch wie die Kühlerhaube des Landrovers. Er schnüffelt am rechten Vorderreifen, er schnüffelt am Trittbrett, er schnüffelt am… – keine Ahnung, ehrlich gesagt; ich hab schnell die Augen zu gemacht.[/vc_column_text][vc_empty_space][/vc_column][/vc_row]